Bach meets Appenzell – Jodlerclub Teufen zu Gast beim «Singen in der Früh»

Das Modul «Singen in der Früh» findet am Samstagmorgen jeweils seinen Abschluss. Zum dritten und letzten Mal kommen die Besucherinnen und Besucher nach Stein AR in die Kirche, um mit gemeinsamem Singen den Tag zu begrüssen. Zu Gast war der Jodlerclub Teufen unter der Leitung von Hansueli Herrsche. Die Komponistin Mirjam Birrer schrieb eigens für die Appenzeller Bachtage 2022 das Stück «Dem Bach entlang», das von den Jodlern uraufgeführt wurde. Bach meets Appenzell! Mirjam Birrer erklärte den Aufbau eines Naturjodels und Hansueli Herrsche forderte das Publikum gleich dazu auf, die Töne «gradzhebä». Was für ein Erlebnis!

«Youth for Bach» rührte zu Tränen

Mehr als zwei Jahre haben die jungen Bläserinnen und Bläser unter der Leitung von Michael Wachter auf diesen Tag hingearbeitet. 2020 komponierte Rudolf Lutz eine Konzertsuite für Blechbläser und Orgel im Bachschen Stil. Zum Leitthema der damals geplanten und jetzt durchgeführten Appenzeller Bachtage stellte er eine Folge von 20 Stücken zusammen, die das Publikum vor Kirchen und Konzertsälen zum Auftakt der einzelnen Veranstaltungen hören konnte. Rudolf Lutz persönlich führte durch das kurzweilige Konzert und Michael Wachter bedankte sich: «Ich habe bei dir ein Post Graduate-Studium absolviert. Du hast mir gezeigt, wie man solche Stücke spielen muss. Dafür danke ich dir von ganzem Herzen». Das Publikum feierte den Auftritt der jungen Musikerinnen und Musiker mit Standing Ovations. Und nicht wenige der Gäste wischten sich beim Hinausgehen einige Tränen aus den Augenwinkeln.

Unter die Haut gehende Streichquartette

Internationale Stars und musikalische Darbietungen, die allerhöchsten Ansprüchen genügen: Besucherinnen und Besucher der Appenzeller Bachtage erlebten am Samstag hochkarätig besetzte Kammermusik. Am Nachmittag im Zeughaus zunächst das international gefeierte Carmina Quartett. Auf dem Programm stand nicht eben leichte Literatur. Vor allem die dargebotenen Streichquartette Schostakowitschs und Schuberts haben es in sich. Sie setzen sich – passend zum Bachtage-Leitmotiv «licht und dunkel» – mit Unterdrückung und Gewalt, mit Verzweiflung und Hoffnung, mit Leben und Tod auseinander. Die Zuhörer und Zuhörerinnen wussten offenbar, was da auf sie zukam: Im Zeughaus herrschte vom Konzertbeginn an konzentrierte Stille, man traute sich kaum zu atmen. Und dann eine Darbietung, der man sich nicht entziehen konnte: Das perfekt aufeinander abgestimmte Carmina Quartett spielte auf den Punkt genau, alle Feinheiten auslotend, aber auch leidenschaftlich und entfesselt. Ein unter die Haut gehendes Konzerterlebnis.

Sympathische Weltstars, virtuoses Tastenspiel

Masaaki Suzuki und sein Sohn Masato Suzuki sind normalerweise auf den Weltbühnen zu Hause. Die beiden internationalen Stars einmal im Appenzellerland zu erleben - diese rare Gelegenheit nutzten zahlreiche Konzertbesucherinnen und Konzertbesucher am Samstagabend. Bedenken konnte man haben, weil das Cembalo kaum noch als Soloinstrument bekannt ist, oder dass so viel Bach und Fugenkunst etwas gar akademisch sein könnte? Diese waren aber schnell verflogen. Vater und Sohn boten an den beiden aneinander geschobenen Cembali ein derart virtuoses Tastenspiel, dass man aus dem Staunen gar nicht mehr herauskam. Mal liessen sie sich Raum, mal unterstützten sie sich, mal übertrumpfte der eine den anderen. Und manchmal war deren brillantes Zusammenspiel so miteinander verwoben, dass man gar nicht mehr wusste, wessen flinke Finger gerade über die Tasten huschten. Beide Künstler bedankten sich in kurzen Grussworten für die Einladung zu den «Appenzeller Bachtagen». Und die Zuschauerinnen und Zuschauer waren nicht nur angetan von den meisterhaft vorgetragenen barocken Klängen, sondern auch davon, dass sie die beiden sympathischen Weltstars im Lindensaal einmal live erleben konnten.

Glanzvoller Abschluss in der Kirche Teufen

Die Appenzeller Bachtage 2022 wurden am Sonntagvormittag mit einem Gottesdienst zur Thematik des Michaelisfests (Konzept Clemens Flämig) abgeschlossen: wohlgesetzte Worte von Pfarrerin Andrea Anker und Pfarrer Niklaus Peter, viel Raum für Gesang und erstklassig dargebotene musikalische Raritäten, etwa von Heinrich Schütz oder Dietrich Buxtehude. Im Zentrum stand noch einmal die von Rudolf Lutz und seinem Ensemble aufgeführte Kantate «Es erhub sich ein Streit» BWV 19. Musik, so sagte Andrea Anker, spende Trost und Zuversicht in einer von Krieg und Krisen geschüttelten Zeit. Und vor allem Bachs Musik führe uns zu uns selbst zurück. Ein besinnlicher und glanzvoller Abschluss der Appenzeller Bachtage 2022.