Exzellenz in der Tonhalle und ein Spaziergang durch die Himmelsburg: Die Appenzeller Bachtage 2022 sind eröffnet!

Ein Auftakt nach Mass: Die Appenzeller Bachtage sind gestern Abend mit einem fulminanten Konzert in der vollbesetzten Tonhalle St. Gallen eröffnet worden. Dass Rudolf Lutz und sein Ensemble nicht nur bei Bach, sondern auch bei Werken der Wiener Klassik exzellent sind, belohnte das Publikum mit Bravorufen und Standing Ovations.

Rudolf Lutz ist bekannt dafür, seine Zuhörerinnen und Zuhörer mit informativen und witzigen Extras abzuholen, so auch am Mittwochabend. Bevor er anfing zu dirigieren, griff er zum Mikrofon: «Sie dürfen dann auch singen, wie bei den Kantaten, aber erst im zweiten Teil.» Zunächst also ein paar kurzweilige Erklärungen zum ersten Programmpunkt: der «Paukenmesse» von Joseph Haydn. Eine Komposition, die mit überraschenden Wendungen wie heftigen Paukenschlägen im «Agnus Dei» aufwartet. Ungewöhnlich auch die Aufstellung des fabelhaft singenden Chores: zweimal vierstimmig links und rechts am Bühnenrand, in der Mitte das hochpräzise spielende Orchester. Ein klasse Klangerlebnis! Natürlich auch dank des hochkarätig besetzten Solisten-Quartetts.

Nach der Pause dann die «Lutz'sche Singstunde». Der Publikums-Chor stimmt das Thema der «Eroica», der 3. Sinfonie von Beethoven, an. Tatsächlich fast ein «Wälzerle», wie Rudolf Lutz bemerkte. Aber Beethoven wäre nicht Beethoven, würde die gefällige Melodie nicht abrupt abstürzen und einen mit einem ausgedehnten Trauermarsch oder einem aberwitzigen Scherzo aus der Walzerseligkeit reissen. Das Ensemble der J. S. Bach-Stiftung musizierte pointiert in kleiner Besetzung auf Instrumenten aus der Zeit Beethovens.  «Alle Achtung, ich habe diese bekannte Sinfonie nochmals neu gehört», bringt es eine Zuschauerin auf den Punkt.

Sponsoren-Apero im Foyer des Theaterprovisoriums

«Musik ist relevant. Durch sie können wir uns artikulieren und unsere Gefühle ausdrücken», betonte Stiftungsrats-Präsident Konrad Hummler bei seiner Ansprache im Foyer des Theaterprovisoriums. Sie tröste, muntere auf und stärke den Glauben an das Gute. Und dies gelte insbesondere für die Musik Johann Sebastian Bachs, dessen Kantate «Es erhub sich ein Streit» im Zentrum der Appenzeller Bachtage steht. Das fünftägige Festival mit insgesamt 17 Programmpunkten könne die J. S. Bach-Stiftung nicht alleine stemmen, sagte Konrad Hummler weiter. Er dankte ausdrücklich allen Sponsoren und Unterstützern: «Ohne sie wären die Appenzeller Bachtage nicht möglich.»

Beeindruckt vom hohen musikalischen Können und der mitreissenden Spielfreude des Eröffnungskonzertes trat Stadtpräsidentin Maria Pappa ans Mikrofon: «Es war ein Fest für alle Sinne!» Die J. S. Bach-Stiftung trage mit ihrem musikalischen Leiter Rudolf Lutz, dem Chor und dem Orchester den Namen der Ostschweiz, des Appenzellerlandes und der Stadt St. Gallens in die Welt hinaus und vertrete unsere Region mehr als würdig. «Dafür möchte ich Danke sagen.»

Blick aus der Himmelsperspektive

Wer einen stimmigen Auftakt für die Appenzeller Bachtage 2022 sucht, dem sei ein Besuch in der «Himmelsburg» ans Herz gelegt, die seit gestern auf dem St. Galler Kornhausplatz beim Bahnhof Station macht. Im umfunktionierten Übersee-Container können Besucherinnen und Besucher auf barocken Kirchenbänken Platz nehmen und, mit 3-D-Brillen versehen, einen virtuellen Spaziergang durch jene Weimarer Schlosskapelle unternehmen, die für Johann Sebastian Bach sehr bedeutend war. Hier hat er eine Reihe von Kantaten geschrieben. Besonders eindrücklich ist die Position auf der Empore, also dort, wo zu Bachs Zeiten die Musik spielte und die damals nur über ein benachbartes Gebäude zu erreichen war. Als Zuschauer steht man mitten im musizierenden Ensemble. Der eingespielte Ausschnitt aus der Kantate «Himmelskönig sei willkommen» ertönt dabei so, wie es damals geklungen haben muss. Der Blick hinunter in die Kapelle ist fantastisch, wie aus der Himmelsperspektive.